Berufsalltag als Animationsfilmproduzent: Markus Wende erzählt

„Wie ein zusätzlicher Werkzeugkasten"

Markus Wende (animationsfilm.de) ist Illustrator, produziert Animationsfilme und unterrichtet nebenbei an der Schule für Bildende Kunst und Gestaltung Berlin. Wir sprachen mit ihm über seinen Berufsalltag und die Bedeutung des digitalen Wandels für Kreative.

L: Wie bist du zur Kunst gekommen?
M: Nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer holte ich das Abitur nach und bewarb mich für ein Kunststudium. Meine Experimente mit Film waren für den Studiengang freie Kunst allerdings nicht sehr geeignet. Ich wurde abgelehnt. Dann erfuhr ich, dass es an der Hochschule Potsdam den Studiengang Animation gab. Dort wurde ich sofort angenommen.
Weil ich schon während des Studiums merkte, dass ich Menschen etwas beibringen kann, unterrichte ich zusätzlich zu meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Zeichner.

L: Mit welchen Projekten und Themen beschäftigst du dich?
M: Ich mag gesellschaftsrelevante Themen in Verbindung mit Humor. Über etwas lachen zu können, stellt einen guten Abstand auch zu ernsten Themen her und macht sie begreiflich.
Derzeit gefragt sind Sachen aus dem illustrativen Bereich. Ich habe ein großes, politisches Wimmelbild angefertigt; seitdem erhalte ich viele Anfragen für ähnliche Arbeiten.

L: Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
M: Ich führe fast alle Arbeitsschritte selber aus. Mitunter übernehme ich neben dem Zeichnen auch Storytelling, Vertonung und spreche meine Charaktere selber. Da ich sehr unterschiedliche Tätigkeiten ausführe, gibt es keine tägliche Routine.

L: Mit welchen Materialien arbeitest du?
M: Analog verwende ich fast alles. Zur Zeit arbeite ich mit chinesischen Pinseln und dünnem, chinesischem Papier. Damit entwickeln sich die Linien unkontrolliert weiter. Ich mag das entstehende Chaos.
Ich arbeite gerne mit tvpaint und Krita, weniger mit Adobe. Für den Sound verwende ich häufig Cubase.

L: Worauf legst du Wert?
M: Mir ist die künstlerische Freiheit wichtig - sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Darstellung. Das kann zu Konflikten führen, denn nicht jeder Auftraggeber ist damit einverstanden. Es kommt vor, dass ich Aufträge ablehne, wenn mir diese Freiheit nicht zugestanden wird.

L: Wie hat sich deine Arbeit durch den digitalen Wandel verändert?
M: Viele Arbeitsschritte sind effektiver geworden. Ich erlebe das als Bereicherung zu meiner analogen Arbeit, wie einen zusätzlichen Werkzeugkasten. Trickfilmanimation erlebt eine Demokratisierung - jeder hat Zugang zu technischen Möglichkeiten. Früher war das anders. Man brauchte viel Geld, Material und Spezialwissen, um Dinge entstehen zu lassen.
Bedenklich finde ich, dass durch das digitale Arbeiten sehr viel von Software vorgegeben wird. Es erweckt den Anschein, als würde man wahnsinnig kreativ arbeiten, aber eigentlich kommen diese Impulse aus der Software und nicht aus einem selber heraus.

L: Was sollte man mitbringen, um als Zeichner erfolgreich zu sein?
M: Durchhaltevermögen, wenn es wirtschaftlich nicht so gut läuft.

L: Dein Rat an angehende Künstler?
M: Immer auf der Suche sein nach dem persönlichen Ausdruck und sich frei machen von Einflüssen. Es ist wichtig, die eigene Arbeit kritisch zu hinterfragen: Ist die Idee von mir selbst oder habe ich eine Kopie angefertigt dessen, was mich inspiriert? Interesse erzeugen unbekannte Dinge und nicht das, was der Betrachter schon kennt.

Interview von Leona Schröder